Bundesratsbeschluss vom 12.2.2021 zum Kinder – und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) Drucksache 5/1/21 – Auswirkungen auf den Kinderschutz in Deutschland

An die Damen und Herren Sprecher bzw. Berichterstatter,   

ich schreibe Ihnen, weil ich in großer Sorge über die Entwicklungen im Kinderschutz in Deutschland bin.

Es droht ein Einbruch der mühsam errungenen abgewogenen fachlichen Kinderschutzarbeit!

Neun bundesweite Fachverbände formulieren in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 16.02.2021

(https://www.dgsf.org/themen/stellungnahmen-1/verbaendestellungnahme-zum-bundesratsbeschluss-vom-12-februar-2021),

dass die im Bundesrat am 12.02.21 beschlossenen Regelungsvorschläge sehr problematisch sind, da sie den hilfeorientierten Ansatz des deutschen Kinderschutzes aushebeln.

Ich habe große Sorge vor:

  • der Einführung einer Meldepflicht für Fachkräfte in Beratungsstellen, Familienhebammen, Ärzte, Lehrkräfte und alle Berufsgeheimnisträger in § 4 Abs. 3 KKG-BeschlussBR/53  

Bei der vorgeschlagenen neuen Regelung handelt es sich um eine Vorschrift mit verheerenden Wirkungen auf die Hilfepraxis an der Schnittstelle zwischen Jugendamt und Beratungsstellen, Angeboten der Frühen Hilfen und anderen wichtigen Einrichtungen, in denen erste Zugänge zu Kindern aus belasteten Familiensystemen und von Gewalt Betroffenen, hergestellt werden. Diese Regelung schützt Kinder nicht, sondern schürt Ängste vor Helfersystemen!

  •  Veränderung des Schutz- und Hilfeauftrags des Jugendamts hin zu einer polizeilichen Gefahrenabwehrbehörde bei einer allgemeinen Warnpflicht für Jugendämter in § 8a Abs. 3 S. 3 SGB VIII-BeschlussBR/6

Ich rege dringend an, nicht vorschnell eine wenig effektive, Rechtsunsicherheit schaffende, das Vertrauen in die Institution Jugendamt erschütternde, allgemeine Warnpflicht der Jugendämter ins SGB VIII aufzunehmen. Stattdessen braucht es eine breite Fachdebatte, wer unter welchen Voraussetzungen wen über den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs durch den/die Mitarbeiter*in einer Institution informieren darf.

  • Legitimierung eines interkollegialen Fachaustauschs von Ärzten ohne Einbezug der betroffenen Familie in § 4a KKG-BeschlussBR/55

Die Forderung der interkollegialen Beratung der Kinderärzte untereinander führt zu einer weiteren Abschottung des medizinischen Systems. Das geht in eine falsche Richtung und steht dem kooperativen Kinderschutzgedanken kontraproduktiv entgegen!

Eine Herabsenkung der Datenschutzschwelle gefährdet die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Kind / Eltern. Es besteht die absehbare Gefahr der Verunsicherung von Eltern, die in den interkollegialen Austausch zwischen Ärzten nicht einbezogen werden. Das wird die mögliche Folge haben, dass sie sich und ihre Kinder notwendigen ärztlichen Untersuchungen entziehen.

Es braucht eine breite Fachdebatte, ob und wie über die bestehenden rechtlichen Vorgaben hinaus ein verlässlicher gesetzlicher Rahmen geschaffen werden kann, der das Vertrauen zu Berufsgeheimnisträgern und in die Institution Jugendamt nicht erschüttert sondern stärkt.

Bitte setzen Sie sich für einen hilfeorientierten Kinderschutz in Deutschland ein. Das bedeutet:

  1. § 8a Abs. 3 S. 3 SGB VIII-BeschlussBR/6 streichen !
  2. § 4 Abs. 3 KKG-BeschlussBR/53 streichen !
  3. § 4a KKG-BeschlussBR/55 streichen !

Ich danke Ihren für Ihre Unterstützung dieses Anliegens.