Juristische Untersuchungen durch unabhängige Fachkräfte mit Expertise zum Problembereich „Sexuelle Gewalt in Institutionen”

Auch und insbesondere für die Aufarbeitung aktueller sexualisierter Gewalt gilt: Unabhängige Untersuchungskommissionen müssen durch ihre Zusammensetzung ein breites Spektrum fachlicher Qualifikationen abdecken. Bedingung für eine nachhaltige Aufarbeitung ist auch und insbesondere eine unabhängige juristische Untersuchung, zumindest eine fundierte juristische Begleitung der Untersuchung.

Sie ist von externen, vom Träger und Fallmanagement unabhängigen Expertinnen zu leisten. Der Umfang der Untersuchung durch externe Expertinnen ist abhängig vom Einzelfall. Dabei sind u. a. folgende Aspekte zu untersuchen:

  • straf-, arbeits- und dienstrechtliche Fragen
  • Fakten der sexuellen Gewalthandlungen
  • Folgeproblematiken und Belastungen von unmittelbar und mittelbar betroffenen Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden sowie deren Angehörigen
  • Auswirkungen der sexuellen Gewalthandlungen auf institutionelle Dynamiken vor und unmittelbar nach deren Aufdeckung – insbesondere Auswirkungen eines strategischen Vorgehens von Täterinnen
  • langfristige Auswirkungen der Gewaltdynamik auf institutionelle Dynamiken (z. B. Spaltungen, Schweigegebote, Ausgrenzung)
  • strukturelle und fachliche Risikofaktoren, die dem Täter/der Täterin die Ausübung der sexuellen Gewalthandlungen ermöglichten/erleichterten
  • Krisenmanagement sowie langfristige Interventionen (z. B. Vermittlung und Wirksamkeit von Hilfen für die unterschiedlichen Ebenen der Institution)
  • Ressourcen der Institution

Die juristische Untersuchung arbeitet straf-, arbeits-, dienst- und haftungsrechtliche Fragestellungen auf. Die strafrechtliche Untersuchung der Taten wird in aktuellen Fällen sexueller Gewalt in Institutionen oftmals von den Strafverfolgungsbehörden im Rahmen des Strafermittlungsverfahrens geleistet. Kommt es zu einer strafrechtlichen Verurteilung, so entsteht eine eindeutige Faktenlage, die den institutionellen Aufarbeitungsprozess oftmals erleichtert, jedoch nicht in jedem Fall. Mit Verweis auf das (laufende) Strafverfahren wird in einigen Einrichtungen die institutionelle Aufarbeitung blockiert: Ein laufendes Strafermittlungsverfahren/eine Verurteilung und die damit verbundene Schuldzuweisung an den Täter/die Täterin wird nicht nur in Einzelfällen genutzt, um weiterhin institutionelle Risikofaktoren auszublenden: Einige Institutionen zeigen nur eine begrenzte Bereitschaft, die Strukturen und die Arbeitsweise der eigenen Organisation – im Rahmen einer unabhängigen Untersuchung – zu hinterfragen.

Unabhängig davon, ob eine strafrechtliche Verurteilung eines Täters/einer Täterin vorliegt, in jedem Fall empfiehlt sich eine unabhängige Bewertung arbeits- und dienstrechtlicher Fakten bzw. eventueller Haftungsfragen. Die Erkenntnisse sind für die konzeptionelle Weiterentwicklung der Einrichtung/des Trägers nutzbar zu machen.

In den meisten aktuellen Fällen kommt es zu keiner strafrechtlichen Bewertung der Gewalthandlungen, da z. B. unter Berücksichtigung der Belastung des Strafverfahrens für das/die Opfer keine Strafanzeige erstattet wurde. Nicht selten machen Kinder und Jugendliche bzw. deren Sorgeberechtigten aus Angst vor einem mit dem Strafprozess verbundenen öffentlichen Outing als Opfer von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch oder ihre Aussagen werden von den Strafverfolgungsbehörden als nicht glaubwürdig bzw. nicht umfassend genug eingeschätzt. In anderen Fällen bestätigen die Ermittlungsergebnisse ein fachliches und/oder persönliches Fehlverhalten, das jedoch als nicht strafrechtlich relevant bewertet wird. Ermittlungsverfahren wegen sexuellem Missbrauch von Mädchen und Jungen im Vorschulalter werden häufig eingestellt, da die Strafverfolgungsbehörden die Opfer aufgrund ihres geringen Alters als nicht zeugenfähig einstufen. Liegt keine strafrechtliche Verurteilung des Täters/der Täterin vor, so kommt der im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung geleisteten fachlichen Bewertung der Fakten für eine nachhaltige Aufarbeitung eine besondere Bedeutung zu.

Um den besonderen Belastungen von Betroffenen im Kontext der juristischen Untersuchung gerecht zu werden, müssen die untersuchenden Juristinnen über fundierte Erfahrungen in Strafverfahren gegen die sexuelle Selbstbestimmung verfügen.

Typische Aufgabenstellungen:
Dr. jur. Thomas Ax
Aufgabenbereiche:
Sichtung der Akten hinsichtlich juristischer Implikationen und relevanten Informationen für die anderen Arbeitsaufträge der Untersuchung